6# Fury,Wonderwall &Shadow - Push Forward
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VRH Nalmonhof :: Bericht :: Judith
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6# Fury,Wonderwall &Shadow - Push Forward
It´s always the same
I´m starring at the ceiling
Don´t know where to beginn
Ich seufzte. Wie recht dieses Lied doch hatte. Hier lag ich nun, keine Ahnung wie ich den Tag beginnen sollte. Auf mich warteten zwei Pferde, seit neustem auch noch der Hengst Wonderwall, denn ich einer Freundin abgekauft hatte, da sie nach Australien auswandern wollte. Und natürlich Fury. Aber auch diese beiden waren für mich kein Grund, mein Bett zu verlassen.
Es war schon fast 12 Uhr. Halb erwartete ich, dass Saskia mich anrufen würde, ein wenig motivieren, mich zwingen, auf zu stehen. Andererseits wusste ich, dass das nie passieren würde. Denn Saskia war der einzige Grund, warum ich meine Pferde im Regen stehen ließ. Buchstäblich, denn die Sonne ließ sich heute auch nicht blicken. Grund Nummer zwei im Bett zu bleiben.
Ich wusste, dass es albern war, mich so hängen zu lassen. Aber im Moment konnte ich nicht anders. Es ging einfach nicht. Geistesabwesend streichelte ich Nikki, die zusammengerollt auf meinen Beinen lag und döste. Ich seufzte erneut, als mein Telefon sich lautstark meldete. Nikki hob den Kopf und bellte zweimal, beruhigte sich aber wieder, als ich sie streichelte. Ich war zu faul um ans Telefon zu gehen. Wenn es was Wichtiges war, wurde mir sowieso auf den Anrufbeantwortet gequasselt.
„Hey Judith. Schade, dass wir uns so gestritten haben. Ich weiß, dass du zu Hause bist. Ich bin unterwegs zum Flughafen und werde gleich mal bei dir klingeln. So in 30 Minuten. Bitte sei so vernünftig und mach die Tür auf“ Eine kurze Pause, ich dachte schon, sie hätte aufgelegt. „Ich habe dich lieb“ kam leise von meinem Telefon herüber geschallt, kurz darauf ertönte Tuten. „Was meinst du, Nikki?“ Fragend sah ich meine Berner Sennhündin an. Nikki nieste nur einmal kräftig, sprang dann von meinem Bett und tapste von dannen.
Ich erhob mich von meinem Bett und trotte erst mal ins Bad. Duschen. Ich gönnte mir volle 15 Minuten unter dem heißen Wasserstrahl, stieg dann wiederwillig aus der Dusche. Meine nassen Haare drehte ich zu einem engen Knoten, dann zog ich mir meine älteste, graue Reithose an. Dazu ein Türkises T-Shirt und einen schwarzer Pulli – Fertig! Im Schnellverfahren tuschte ich mir die Wimpern, schmierte meine Lippen mit Labello voll und stolperte dann aus dem Bad, um ein Frühstück zu mir zu nehmen.
5 Minuten und zwei schnell verdrückte Käsebrote und ein Glas Milch später klingelte es an der Tür. Nikki sprang um mich herum, raste zu Tür, zurück zu mir und bellte die ganze Zeit. „Ruhig Mädchen“ tadelte ich sie, griff in ihr Halsband und öffnete mit einer Hand die Tür. Ohne meiner Freundin Zeit für irgendetwas zu lassen schnauzte ich „Reinkommen, Tür zu“ Erschrocken folgte sie meiner Anweisung, schloss die Tür. Endlich konnte ich Nikki los lassen, die sofort an unserem Gast hoch sprang und bellte. „Schluss jetzt, aus, ab!“ pfefferte ich auf meine Hündin ab und scheuchte sie aus dem Flur. Erst jetzt hatte ich Zeit, mein Gegenüber zu mustern.
Laura. Neben Saskia immer meine beste Freundin gewesen. Seit der Grundschule waren wir eng befreundet gewesen, waren zusammen reiten gegangen, hatten viel unternommen. Und auch als im Gymnasium Saskia dazu gekommen war, in der 9. Klasse und Laura eine andere Schule als ich besuchte, hatte sich nie etwas an unserer Beziehung geändert. Wir hatten gemeinsam unsere erste RB gehabt und auch unsere beiden ersten Ponys hatten in einem Stall gestanden. Zusammen waren wir mit ihrem Fjordi Sleipnir und meinem Hafi Charlie ausgeritten, auf Turniere gegangen. Wir beide hatten unsere Ponys geliebt und wir beide hatten unsere Ponys verloren, als eine tödliche Grippewelle im Stall umging. Unsere beiden waren einige der ersten Opfer gewesen. Damals waren Laura und ich gerade 17 Jahre alt. Wir hatten auch später noch viel mit einander zu tun, auch wenn unsere Berufswege sich trennten. Meine Freundin hatte Karriere als Designerin gemacht, ich hatte mit dem Bereiten angefangen. Vor zwei Jahren hatte Laura den Hengst Wonderwall gekauft, ich hatte seit neustem Fury. Und das Laura nach Australien abdampfte und ihren Wonderwall hier zurück ließ, hatte einen Keil zwischen uns getrieben.
Ich sah Laura an und sah überrascht, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Hilflos stand meine beste Freundin in meinem Flur, die zitternden Hände zu Fäusten geballt, auf den Boden starrend. Augenblicklich tat mir alles Leid, was ich ihr an den Kopf geworfen hatte. Zögernd machte ich einen Schritt auf sie zu und umarmte sie. „Komm“ sanft führte ich sie aus dem Flur ins Wohnzimmer und verfrachtete sie auf die Couch. Schweigend saßen wir nebeneinander, bis Laura sich beruhigt hatte.
„Tut mir Leid“ murmelte sie schließlich. „Es ist nur alles zu viel für mich. Ich will nicht nach Australien.Ich will nicht von dir weg, nicht von Wonderwall“ ich runzelte die Stirn. „Warum bleibst du dann nicht einfach hier?“ Laura sah mich aus verquollenen Augen an. „Weil es nicht geht. Meine Firma braucht mich in Australien und außerdem müsste ich mir sonst was Neues suchen. In das Dorf setze ich keinen Fuß mehr“ Sie schnieft. „Wegen der Sache mit Sebastian?“ fragte ich nach. „Ja“ Laura nickt. „Ich will nicht im gleichen Dorf wie der Typ wohnen, der mich so abartig betrogen hat“ Sie schweigt kurz. „Ich habe versucht, einen anderen Job zu bekommen, der es mir möglich macht, weiterhin Wonderwall zu finanzieren. Aber überall hätte ich nur ganz unten anfangen können, das hätte vom Geld nie gereicht, um ein Pferd zu finanzieren. In meiner Firma bin ich stellvertretende Geschäftsleiterin und in Australien sogar führende Geschäftsleitung. Vielleicht kann ich mir ja Wonderwall irgendwann rüber fliegen lassen, soviel wie ich da verdiene“ sie schniefte erneut. Ich legte ihr einen Arm um die Schulter. „Das wird schon wieder“ tröstete ich Laura. „Ich passe gut auf deinen Wonderwall auf und sauer bin ich auch nicht mehr. Ich muss mich auch entschuldigen. Da sind wohl alle Pferde mit mir durch gegangen“ Laura schüttelte den Kopf. „Nein, du hast genug um die Ohren. Wegen Saskia und so. Ich bin die, die Schuld hat“ „Wir sind einfach beide blöd“ beendete ich unsere Diskussion und grinste Laura an. „Ok!“ lachte sie. Wir saßen noch länger beisammen, redeten, lachten und anschließend brachte ich Laura mit Nikki zum Flughafen, verabschiedete mich von ihr und aß in einem kleinen Restaurant zu Mittag, bis ich mich endlich auf den Weg zum Hof machte.
„Fuuuuury!“ Ich rief meinem Wallach, kaum als ich seine vertraute Gestalt auf der Weide ausmachte. Fury hob den Kopf, sah zu mir herüber, zögerte kurz. „Na Komm!“ rief ich ihn erneut. Ein letzter Blick zu seinen Freunden, dann trottete der Wallach langsam auf mich zu. Ab und zu blieb er stehen, drehte sich halb um und trottete dann weiter in meine Richtung. Dabei war es mir, als könnte ich das Vollblut seufzen hören. Lachend wartete ich, bis der Herr sich bequemt hatte, das Gatter zu erreichen. „Na hübscher?“ zärtlich strich ich meinem Wallach über die Stirn, stülpte ihm sein Halfter über den Kopf und zupfte am Strick. Fury folgte mir brav zum Putzplatz.
Ich band mein Vollblut sorgfältig an und begann, ihn zu putzen. Fury hatte eine Decke getragen, sehr schmutzig war er nicht. Es dauerte keine 20 Minuten, bis Fury´s Fell glänzte, die Hufe ausgekratzt waren und ich Mähne und Schweif grob verlesen hatte. Der Wallach wurde langsam unruhig, begann zu tänzeln. Aus diesem Grund beeilte ich mich ein wenig mit dem Satteln und trenste Fury anschließend geschickt auf. „Sieht schick aus, Süßer“ flüsterte ich Fury ins sein pelziges Ohr und ließ meinen Blick nochmal über seine Satteldecke in Schokobraun schweifen. „So, dann wollen wir mal los, oder?“ Ich schwang mich in Fury´s Sattel und dirigierte Fury Richtung Waldweg.
Mein Pferd tänzelte. Fury schien keinerlei Lust auf einen ruhigen Schritt zu haben. Mal sprang er zur Seite, mal wurde er viel zu schnell. Dann wieder blieb er stehen, störrisch wie selten. „Ruhig, Junge“ murmelte ich meinem Wallach zu, gab immer wieder eine halbe Parade, sobald Fury zu schnell wurde, hatte meine Unterschenkel verwahrend an seinem Bauch und trieb immer wieder konsequent weiter, wenn Fury stehen blieb. Es waren anstrengende Meter, die ich auf Furys Rücken zurück legte.
Nach einer Weile wurde Fury ruhiger, aber optimal war es noch nicht. Der Weg wurde breiter, ideal für einen kleinen Trab. Sanft drückte ich meinem Wallach die Schenkel in den Bauch. Fury nahm den Kopf zwischen die Vorderbeine, bockte heftig. „Hey!“ schimpfend kämpfte ich um mein Gleichgewicht, setzte ich mich neu im Sattel zurück, trieb Fury vorwärts und zog ihm gleichzeitig den Kopf hoch. Zunächst wehrte sich das Vollblut heftig, aber ich gab nicht auf. Ich versuchte, meine Hilfen sanft zu halten und gleichzeitig die Oberhand zu gewinnen. Meine Methode zeigte Erfolg. Fury nahm den Kopf hoch, lief ein paar Schritte vorwärts, schwang dann auf der Hinterhand herum und versuchte im gestreckten Galopp zurück zum Hof zu preschen. „Nichts da!“ Ich gab eine scharfe Parade und trieb Fury energisch in die andere Richtung. Im Renntrab ging es einige Meter vorwärts, bis Fury sich langsam beruhigte.
Die Gelegenheit ergriff ich beim Schopf, sprang aus dem Sattel und begutachtete Fury genau. Ich untersuchte die Sattel und Trensen Lage, betastete Furys Beine, hob die Hufe hoch und suchte nach kleinen Steinchen und war zwischendurch damit beschäftigt, Fury zum Stillstehen zu bringen.
Als ich mir ganz sicher, dass meinen Wallach heute einfach nur der Hafer extrem stach, stieg ich wieder in den Sattel, lenkte Fury auf eine Wiese, die etwas abseits vom Weg lag und begann meinen Wallach im Trab mit Volten und Schlangenlinien zu „quälen“. Dabei spielte ich mit den Zügeln, saß locker und entspannt im Sattel. Fury beruhigte sich immer mehr, sein Kopf ging runter, er begann auf seinem Gebiss zu kauen. „Feiner Junge“ murmelte ich, klopfte seinen Hals und verließ die Wiese wieder, um unseren Weg fort zu setzten.
Eigentlich hatte ich heute vorgehabt, ein wenig mit Fury Straßensicherheit zu trainieren. Aber so, wie mein Wallach drauf war, hatte ich da echt keine Lust drauf. Stattdessen trabte ich wieder an. Wir legten gut 2 Kilometer im ruhigen Trab im Wald zurück. Fury blieb gehorsam bei mir, nur ab und an musste ich ihn mit einer kleinen Parade zurück halten. Ich war froh, Nikki auf dem Hof gelassen zu haben – Mit einem Hund die Anfangsprobleme dieses Rittes durch zu machen gehörte nicht zu meinen dringendsten Wünschen. Trotz allem genoss ich den Ritt durch den Wald, da Fury sich jetzt auch wirklich besser benahm.
Bald erreichten wir einen noch breiteren Weg. Ich nahm mein Bein noch ein Stück mehr, trieb mit dem anderen vermehrt. Fury sprang kraftvoll um. Sanft gab ich eine halbe Parade, regulierte das Tempo und wir legten den nicht sonderlich langen Weg in einem ruhigen, gemäßigten Galopp zurück.
Wir erreichten einen Weg, der in der Nähe des Sees lag. Auf einen Blick sichtete ich mehrere Spaziergänger, also parierte ich Fury zum Schritt durch, fasste seine Zügel ein Stück kürzer und rahmte ihn mehr mit meinen Schenkeln ein. Ich traute meinem Wallach nicht. Wir wichen so weit wie möglich an den Rand aus, ich lächelte jeden, der uns entgegen kam freundlich an, erwiderte auch hier und da einen Gruß, vermied es aber, mich länger als eine Sekunde am Stück nicht auf das Pferd unter mir zu konzentrieren. Obwohl mein großer sich wirklich gut verhielt, war ich erleichter, als wir auf einen kleineren Pfad abbiegen konnten. Fury war doch sichtlich angespannt, also trabte ich erst mal wieder eine Weile, bis der Pfad noch enger wurde. Gezwungener Maßen parierte ich zum Schritt durch, klopfte Furys Hals und ließ die Zügel etwas länger.
5 Minuten später lichtete sich der Wald und vor uns tauchte ein gigantisches Stoppelfeld auf. Reflexartig gab ich eine Parade, Fury blieb gehorsam stehen. Wir beide starrten auf das Feld. Ich war schon öfters ausgeritten, aber bis hierhin war ich noch nie gekommen. Ich war immer andere Wege geritten. Das Feld erstreckte sich schier bis zum Horizont. Mir juckte es gewaltig in den Finger. Fury spürte meine Anspannung, fing das Tänzeln an. „Ruhig, Süßer“ murmelte ich und strich Fury ein wenig geistesabwesend über die Mähne. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber der Anblick des Feldes weckte Erinnerungen…
Ich mit meinem ersten Vollblut Bereitpferd Golden Storm, in vollem Galopp über ein Stoppelfeld. Wie ich dann Golden Storm einmal auf der Rennbahn vorreiten musste, als er zum Verkauf stand. Das Gefühl zu fliegen, obwohl ich eigentlich gegen Galopprennen war.
Aber gegen so einen deftigen Galopp auf einem Stoppelfeld sprach nichts… Galopprennen fand ich auch nur Quälerei, mit den ganzen Schlägen und so und dauerhaft würde ich einem Pferd so etwas auch nicht zumuten. Aber Fury… Im lag es praktisch im Blut… Und es war nur ein Feld… „Lust zu rennen, Junge?“ flüsterte ich leise. Fury drehte ein Ohr nach hinten. Entschlossen gab ich die Galopphilfen, ritt Fury die ersten Meter im gemäßigten Galopp. Trotz des Feldes vor ihm hörte mein Wallach gut auf mich. Ich war letztendlich die, die in den leichten Sitz ging, Fury anfeuerte, schneller zu laufen „Go, go, go, go Junge!“ rief ich ihm zu, trieb ihn immer weiter. Jetzt drängelte Fury ganz schön vorwärts und ich ließ ihn immer schneller werden, feuerte ihn noch mehr. Mit einem gewaltigen Ruck kam der Erdboden ein ganzes Stück näher, Fury fetzte mit langen Sprüngen über das Feld. „Juhuuuuu!“ jubelte ich leise. Furys Mähne peitsche in meine Gesiccht, ich lag fast auf seinem Hals, aber es konnte mir nicht schnell genug gehen. Aber ich achtete auf Fury, sobald er hätte langsamer werden wollen, hätte er das gedurft. Doch er schien es nicht zu wollen.
Wir waren eins. Es gab nicht mehr Judith, nicht mehr Fury als einzelnes. Es gab nur noch uns. Wir. Wir waren miteinander verschmolzen, Teil einer untrennbaren Gemeinschaft. Er war ich, ich war er. Zusammen flogen wir. Küssten den Himmel. Tanzten durch Regenbogen.
Viel zu schnell kam das Ende in Sicht. Ich setzte mich im Sattel zurecht, gab kleiner Paraden und nahm das Tempo immer mehr zurück. Die letzten Meter galoppierten wir ein einem flotten Arbeitstrab und ich hatte keine Probleme, Fury zum Trab und dann zum Schritt durch zu parieren. Im Schritt fiel umschlang ich seinen Hals, lobte ihn und setzte mich schnell wieder auf, bevor Fury auf die Idee kam, die lockeren Zügel zum durch gehen aus zu nutzen. Mein Wallach schnaubte mehrmals kräftig ab. Im gemütlichen Schritt schlenderten wir zurück zum Hof. Zwischen uns hatte sich was verändert, wir waren uns näher gekommen. Immer wieder beugte ich mich vor, klopfte Furys Hals. Spürte seine Muskeln, spürte seine Lebensfreude. Ich war einfach nur glücklich.
Durchgeschwitzt kamen wir am Hof an. Jessy stand mit Daphne am Putzplatz und striegelte ihre große hingebungsvoll, als ich dazu stieß. „Na ihr zwei? Wie war das Straßentraining?“ „Ähm, nicht vorhanden“ antworte ich, während ich Furys Trense gegen sein Halfter tauschte. „Hä?“ Jessy ließ die Hand mit dem Striegel sinken und sah mich verständnislos an. Ich muss lachen, löste den Sattelgurt und antwortete „Er hat sich am Anfang extrem schlecht benommen“ fing ich an zu erzählen, griff mir den Sattel und legte ihn beiseite. Während ich Fury abschwammte – da er so geschwitzt hatte – und anschließend nochmal putzte erzählte ich Jessy die ganze Geschichte. Mit dem letzten Satz war auch meine Arbeit beendet, ich wünschte ihr viel Spaß mit Daphne, löste den Strick vom Anbindehaken und schnalzte auffordernd mit der Zunge. Fury folgte mir in den Stall, ließ sich brav eine Decke auf den Rücken laden und wartete geduldig, bis ich die Schnallen geschlossen hatte. Eine Möhre verschwand im Maul meines Wallaches, dann ging es weiter zu Weide. Dort wechselte ein kleines Leckerli seinen Besitzer. „Bis Morgen, Süßer“ Ich vergrub mein Gesicht kurz in Furys Mähne, öffnete das Gatter. Mit einer Hand löste ich den Strick vom Halfter und sah meinem Vollblut zu, wie es abdampfte. Lächelnd schloss ich das Gatter, warf Fury eine Kusshand zu und machte mich auf den Weg zu Wonderwall.
Der Trakehner stand in seiner Box und sah misstrauisch den Menschen zu, die an ihm vorbei liefen. Er stand schon fast 2 Wochen hier und ich hatte ihn jeden Tag geputzt und immer mal wieder in die Führanlage gebracht und dabei fest gestellt, dass Wonderwall Probleme hatte, mich als Leittier zu akzeptieren. Laura hatte mir geraten ein Join- Up mit ihm zu machen und genau das hatte ich jetzt vor.
„Hallo, Wonderwall“ Freundlich begrüßte ich den Hengst, klopfte ihm kurz den Hals und band ihn dann vor der Box an. Sonderlich dreckig war der Hengst nicht, genauso wie mein Fury. Anscheinend wollten mir meine Pferde heute einen Gefallen tun. Wonderwall tänzelte hin und her, ich hatte schon eifrig Klapse ausgeteilt, als ich gerade mal mit dem Fell fertig war. Der Hengst schien mich einfach komplett zu ignorieren und machte munter weiter. Ich war froh, als ich nach 20 Minuten den Hufkratzer beiseitelegen konnte und Wonderwall fertig geputzt war. Schnell legte ich dem Hengst Gamaschen an, tauschte sein Halfter gegen Knotenhalfter, schnappte mir eine Longe und ging mit ihm ins Roundpen.
Dort angekommen machte ich Wonderwall los. Der Hengst schien keinen großen Bewegungsdrang zu haben, buckelte zweimal, galoppierte ein paar Schritte und fiel dann in einen gemütlichen Schritt. Zeit zu beginnen.
Ich machte mich groß, stellte mich breitbeinig in die Mitte des Roundpens und warf das Longenende in Richtung Kruppe des Hengstes. Mit einem Schnauben trabte Wonderwall an, die Ohren angelegt. Ich machte mich größer, spreizte die Hand, bedrohte ihn. Wonderwall keilte kurz aus, galoppierte an. Bewundernd beobachtete ich mehrere Runden seinen raumgreifenden Gang. Ein tolles Pferdchen war er ja, nur seine Ranglistenprobleme…
Ich trat einen Schritt vor, direkt in das Blickfeld von Wonderwall. Wie gewünscht stoppte der Hengst abrupt, drehte auf der Hinterhand und galoppierte in die andere Richtung.
Diesen Handwechsel führte ich nach zweimal aus, bis sich eine Veränderung bei Wonderwall zeigte. Die Ohren des Hengstes richteten sich auf, das eine Ohr drehte sich in meine Richtung, der Hengst wurde deutlich langsamer. Innerlich grinsend warf ich streng erneut das Longenende Richtung Wonderwall „Weiter“ Fast wiederwillig legte der Hengst an Tempo zu. Nach zweieinhalb Runden fiel Wonderwall in den Trab. Sein Kiefer malmte, es sah so aus, als wollte er die Luft zerkauen. Auf dieses Zeichen hatte ich gewartet.
Ich ließ die Longe fallen, drehte mich um und nahm gleichzeitig meine Hand eng an meinen Körper. Wonderwall blieb stehen. Atemlos wartete ich, bis ich seine Hufe im Sand hörte, kurz danach seinen warmen Atem in meinem Nacken spürte. Glücklich drehte ich mich um, senkte den Blick und streichelte Wonderwalls Stirn. Der Hengst stand ruhig da, ließ sich die Liebkosung gefallen. Ich wandte mich um, ging einen Schritt nach vorne. Ohne Zögern folgte der Trakehner mir. Ich streichelte ihn erneut, ging dann weiter von ihm weg. Wonderwall folgte mir, seinen Kopf stets dicht neben meiner Schulter. Selbst als ich anfing zu rennen trabte er an, um bei mir zu bleiben. Glücklich blieb ich erneut stehen, klopfte Wonderwall, streichelte ihn, gab ihm eine Möhre. „Das hat du sehr schön gemacht, Wonderwall“ erzählte ich dem Hengst während er kaute. „Das nächste Mal machen wir noch ein Join-Up und dann werden wir mal testen, wie es mit dem Reiten funktioniert, ok?“ Wonderwall schnaubte kurz und sah mich dann erwartungsvoll an.
Ich musste lächeln, klipste den Strick wieder in Wonderwalls Halfter und sah ihn aufmunternd an. „Na komm, Dicker. Zeit, wieder zurück zu kehren“ Brav folgte der Trakehner mir über den Hof in den Stall. Zufrieden stellte ich fest, dass sich sein Verhalten gebessert hatte. Der Hengst stand wie eine Statue, als ich ihm mit der Kardätsche nochmal übers schwarze Fell fuhr und seine Hufe auskratzte. Ab und zu wandte Wonderwall den Kopf und sah mich mit seinen dunklen Augen an. Jedes Mal musste ich lachen. „Ich denke, wir werden noch gute Freunde“ flüsterte ich dem Hengst in sein pelziges Öhrchen. „Aber jetzt kommst du erst mal wieder in deine Box“ Ich löste den Strick, führte Wonderwall in seine Box und gab ihm noch ein Äpfelchen. Mit einem freundlichen Halsklopfen verließ ich die Box wieder und sah mich dann noch einmal nach Wonderwall um. Mit hängendem Kopf stand der Hengst in seiner Box. Von der Box neben ihm kam leises Schnauben, aber Wonderwall legte nur drohend die Ohren an. Er sah alles andere als entspannt aus. „Du armer“ murmelte ich, eilte in die Sattelkammer und kam keine 5 Minuten später mit einer kleinen Flasche wieder.
Wonderwall beobachte gespannt, wie ich die Flasche entkorkte und mir etwas Flüssigkeit auf die Hände kippte. Sanft begann ich Wonderwall zu massieren- Mit Lavendelöl und T-Touch. Nach einer Weile sank Wonderwalls Kopf immer tiefer, ruhte auf meiner Schulter. „Du armer“ murmelte ich wieder „Weißt gar nicht, wo Laura ist, wo deine Freunde sind, was passiert ist“ Sanft fuhr ich fort dass Öl ein zu massieren. Wonderwalls Kopf wurde schwerer und schwerer. Meine Kehle wurde eng. Das Vertrauen dieses Hengstes rührte mich zutiefst. Ich hörte auf, ihn zu massieren und legte meine Arme einfach nur um seinen Hals. Wonderwall bewegte sich nicht. Leise begann ich zu summen, dann zu singen. Mir war einfach danach. Meine beiden Pferde machten mich heute einfach glücklich. Auch wenn das Lied eher ein trauriges war…
All that i want is always to push forward
But since you´ve been gone I just wanna push rewind
If yesterday could only be tomorrow
Whatever I do I always run behind
Wonderwalls Ohren bewegten sich in meine Richtung, sein Kopf wurde noch ein bisschen schwerer. Ich wollte den Moment nicht zerstören, sang einfach weiter, ein anderes Lied, aber auch traurig…
Who can say why your heart sighs,
as your love flies.
Only time...
And who can say why your heart cries,
when your love lies.
Only time...
Lange standen wir da. Atmeten zusammen, lauschten meinem Gesang. Irgendwann, ich hätte nicht sagen können, ob es Stunden oder Minuten waren, löste ich mich von Wonderwall. Der Hengst hob seinen Kopf, ich nahm meine Arme runter. Wonderwall schnaubte sanft, ließ sich von mir auf die Nüstern küssen. Lächelnd sah ich zu, wie Wonderwall sich umwandte und sich über sein Heu hermachte. Ich sah ihm noch eine Weile zu und verließ dann die Box.
Draußen war es am Dämmern. Stille hatte sich über den Hof gesenkt, nur ab und zu ertönte ein leises Wiehern und aus den Boxen direkt neben mir konnte ich auch die Schnaub und Fressgeräusche der Pferde hören. Ich schien allein zu sein, vielleicht schwirrte Jessy noch irgendwo herum.
Ein schrilles Wiehern zerriss die Luft. Mehrere dumpfe Schläge folgten, ein Mann schimpfte, ein Motor röhrte. Erschrocken sah ich mich um. Ein zweites Wiehern ertönte, ich hörte Jessy etwas rufen. Ich lief los. Man sah kaum die Hand vor Augen, mehrmals stolperte ich, fing mich wieder, rannte weiter. Die ständigen Geräusche wiesen mir den Weg. Ich rannte über den Parkplatz, ein Stück die Auffahrt hoch. Ich musste nicht weit rennen, um den Pferdetransporter zu sehen. Jessy stand davor, debattierte heftig mit einem grobschlächtigen Mann. Zögernd trat ich näher.
„Nein, das werden Sie nicht tun! Wehe!“ Der Mann verzog das Gesicht. „Sie ham mir gar nix zu sagen, Fräulein. Wenn se den Gaul nit wollen, kann ich auch nix dazu“ Ich legte Jessy eine Hand auf die Schulter. Ihre Schultern bebten, sie war nahe dran, die Fassung zu verlieren. „Guten Abend“ ergriff ich höfflich das Wort. „Was gibt es hier für ein Problem?“ Jessy sah mich dankbar an und deutete dann aufgebracht in Richtung des Mannes. „Dieser Mann hier hat ein kleines Araberfohlen auf seinem Hänger. Super Abstammung, ich kenne die Eltern. Ein bisschen frech und sehr scheu, hat wohl nicht viel Gutes von Menschen erfahren. Er wollte es hier abladen oder zum Schlachter bringen. Aber ich habe im Moment nicht genug Geld, um seinen Preis zu bezahlen, es fehlen noch Einnahmen von Pferdekäufen und so“ Sie schluchzte auf. Ich lächelte aufmunternd und trat an den Hänger heran.
Ein süßes, vielleicht 15 Monate altes Fohlen sah mich schüchtern an. Es stand an die Wand gedrückt, regte sich nicht von der Stelle. Der Mann und Jessy gesellten sich zu mir. „Hat janz schön randaliert das Vieh, wollte wohl raus“ Er betrachtet das Fohlen abfällig. „Wie viel würde sie den kosten?“ fragte ich den Mann. „8.000 NT“ antwortete Jessy für ihn. „Es ist nicht so, dass ich das Geld nicht hätte, aber ein Teil ist Reserve, ein Teil für andere Pferde reserviert“ entschuldigend sah sie mich an. „Aber wenn dieser Mann da sich nicht erweichen lässt, kaufe ich sie trotzdem!“ „Musst du nicht, ich kaufe sie“ sagte ich kurz und wandte mich an den Mann. „Dann lassen Sie uns alles regeln“
Drei Stunden später war es halb zehn und alles war geregelt. Ich hatte ein Teil meines Kontos geleert, Jessy hatte mir Zubehör verkauft und die kleine Stute Shadow of my heart stand in ihrer Box und randalierte. Der Mann war abgefahren, hatte aber vorher noch erzählt, dass Shadow seit zwei Tagen in ihrem Hänger stand. Ungeachtet der Uhrzeit beschloss ich, die Stute noch zu bewegen.
Shadow stand an ihrer Boxentür, aber als ich kam zog sie sich zurück. Ich hielt ihr einige Minuten meine Hand hin, sie atmete meinen Geruch ein. Obwohl sie nicht von selbst zu ihr kam, ging ich zu ihr hin und streifte ihr das Halfter über. Ich war müde, ich wollte ins Bett und auf Stundenaktionen hatte ich keine große Lust. Shadow ließ es brav geschehen und folgte mir auch ohne Zögern aus der Box, ging aber so weit wie möglich von mir entfernt. Draußen band ich sie an, kratzte ihre kleinen Hufe aus und bewunderte ihre gute Erziehung. Nur am Anfang machte sie Anstalten, den Huf weg zu ziehen. Zufrieden setzten wir unseren Weg zur kleinen Halle fort.
Dort ließ ich Shadow laufen. Buckelnd raste die Stute los, die kleinen Hufe wirbelten durch die Luft als sie auskeilte. Runde um Runde raste sie, Staub wirbelte umher. Lächelnd beobachtete ich das Schauspiel. Nach 15 Minuten wurde Shadow langsamer, blieb stehen, wälzte sich. Dann ging es weiter im Trab, nach 5 Minuten wälzte sie sich erneut. „Tolle GGA hast du wirklich“ murmelte ich leise und sah zu, wie meine kleene ein paar Schritte umherwanderte, stehen blieb und anfing zu dösen. „Ausgepowert?“ fragte ich lachend, ging vorsichtig auf die Stute zu und fing sie wieder ein.
Bald darauf standen wir wieder vor ihrer Box. Ich band Shadow erneut an, putzte sie kur über und kratzte ein Steinchen aus ihrem rechtem Vorderhuf. „Feierabend“ murmelte ich dann, brachte das Stütchen in ihre Box, gab ihr eine kleine Möhre, klopfte ihr den Hals. Shadow beäugte mich misstrauisch. Seufzend verließ ich die Box. Hinter mir ertönte ein Rascheln. Ich sah mich um: Shadow hatte sich ins Stroh sinken lassen, die Nase auf die Vorderbeine gestützt. Zum wiederholten Mal an diesem Tag glitt mir ein Lächeln übers Gesicht.
Bevor ich nach Hause ging sah ich noch bei Wonderwall und bei Fury vorbei. Meine beiden dösten ruhig vor sich hin. Ich störte sie nicht weiter, sondern wollte mich auf den Heimweg machen. Nach den ersten Metern kam Jessy mir hinterher. „Moment, ich fahre dich schnell“ Dankbar nahm ich irh Angebot an.
Zuhause sank ich erschöpft auf die Couch, machte Musik an. Es ertönte das Lied, was ich eben noch Wonderwall vorgesungen hatte – Push Forward. Ich sang leise mit. Es stimmte schon, seit Saskia Tot wollte ich alles nur zurückspulen. Aber heute hatte ich wieder etwas von meinem alten selbst gespürt, von der, die immer alles vorantreiben wollte. Vielleicht würde ja irgendwann alles gut werden und ich wieder ich selbst. Was heute klappte, klappte vielleicht auch morgen. „Positiv denken!“ murmelte ich. Nikki sah mich verständnislos an. „Guck nicht so, Süße. Ich denke nur darüber nach, dass ich alles wieder vorantreiben will. Das Leben muss weiter gehen“
Wie oft hatte ich diesen Gedanken schon gehabt? Wie oft war er wieder fallen gelassen worden? Aber es gab eine neue Chance, einen neuen Anfang. Fury brauchte mich, Wonderwall brauchte mich, Shadow brauchte mich. Wenn ich es nicht Pferden zuliebe schaffen würde, wem zuliebe dann?
Den Pferde sind was, für das es sich immer zu Leben gelohnt hat – auch, als Saskia schon tot war…
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Ich seufzte. Wie recht dieses Lied doch hatte. Hier lag ich nun, keine Ahnung wie ich den Tag beginnen sollte. Auf mich warteten zwei Pferde, seit neustem auch noch der Hengst Wonderwall, denn ich einer Freundin abgekauft hatte, da sie nach Australien auswandern wollte. Und natürlich Fury. Aber auch diese beiden waren für mich kein Grund, mein Bett zu verlassen.
Es war schon fast 12 Uhr. Halb erwartete ich, dass Saskia mich anrufen würde, ein wenig motivieren, mich zwingen, auf zu stehen. Andererseits wusste ich, dass das nie passieren würde. Denn Saskia war der einzige Grund, warum ich meine Pferde im Regen stehen ließ. Buchstäblich, denn die Sonne ließ sich heute auch nicht blicken. Grund Nummer zwei im Bett zu bleiben.
Ich wusste, dass es albern war, mich so hängen zu lassen. Aber im Moment konnte ich nicht anders. Es ging einfach nicht. Geistesabwesend streichelte ich Nikki, die zusammengerollt auf meinen Beinen lag und döste. Ich seufzte erneut, als mein Telefon sich lautstark meldete. Nikki hob den Kopf und bellte zweimal, beruhigte sich aber wieder, als ich sie streichelte. Ich war zu faul um ans Telefon zu gehen. Wenn es was Wichtiges war, wurde mir sowieso auf den Anrufbeantwortet gequasselt.
„Hey Judith. Schade, dass wir uns so gestritten haben. Ich weiß, dass du zu Hause bist. Ich bin unterwegs zum Flughafen und werde gleich mal bei dir klingeln. So in 30 Minuten. Bitte sei so vernünftig und mach die Tür auf“ Eine kurze Pause, ich dachte schon, sie hätte aufgelegt. „Ich habe dich lieb“ kam leise von meinem Telefon herüber geschallt, kurz darauf ertönte Tuten. „Was meinst du, Nikki?“ Fragend sah ich meine Berner Sennhündin an. Nikki nieste nur einmal kräftig, sprang dann von meinem Bett und tapste von dannen.
Ich erhob mich von meinem Bett und trotte erst mal ins Bad. Duschen. Ich gönnte mir volle 15 Minuten unter dem heißen Wasserstrahl, stieg dann wiederwillig aus der Dusche. Meine nassen Haare drehte ich zu einem engen Knoten, dann zog ich mir meine älteste, graue Reithose an. Dazu ein Türkises T-Shirt und einen schwarzer Pulli – Fertig! Im Schnellverfahren tuschte ich mir die Wimpern, schmierte meine Lippen mit Labello voll und stolperte dann aus dem Bad, um ein Frühstück zu mir zu nehmen.
5 Minuten und zwei schnell verdrückte Käsebrote und ein Glas Milch später klingelte es an der Tür. Nikki sprang um mich herum, raste zu Tür, zurück zu mir und bellte die ganze Zeit. „Ruhig Mädchen“ tadelte ich sie, griff in ihr Halsband und öffnete mit einer Hand die Tür. Ohne meiner Freundin Zeit für irgendetwas zu lassen schnauzte ich „Reinkommen, Tür zu“ Erschrocken folgte sie meiner Anweisung, schloss die Tür. Endlich konnte ich Nikki los lassen, die sofort an unserem Gast hoch sprang und bellte. „Schluss jetzt, aus, ab!“ pfefferte ich auf meine Hündin ab und scheuchte sie aus dem Flur. Erst jetzt hatte ich Zeit, mein Gegenüber zu mustern.
Laura. Neben Saskia immer meine beste Freundin gewesen. Seit der Grundschule waren wir eng befreundet gewesen, waren zusammen reiten gegangen, hatten viel unternommen. Und auch als im Gymnasium Saskia dazu gekommen war, in der 9. Klasse und Laura eine andere Schule als ich besuchte, hatte sich nie etwas an unserer Beziehung geändert. Wir hatten gemeinsam unsere erste RB gehabt und auch unsere beiden ersten Ponys hatten in einem Stall gestanden. Zusammen waren wir mit ihrem Fjordi Sleipnir und meinem Hafi Charlie ausgeritten, auf Turniere gegangen. Wir beide hatten unsere Ponys geliebt und wir beide hatten unsere Ponys verloren, als eine tödliche Grippewelle im Stall umging. Unsere beiden waren einige der ersten Opfer gewesen. Damals waren Laura und ich gerade 17 Jahre alt. Wir hatten auch später noch viel mit einander zu tun, auch wenn unsere Berufswege sich trennten. Meine Freundin hatte Karriere als Designerin gemacht, ich hatte mit dem Bereiten angefangen. Vor zwei Jahren hatte Laura den Hengst Wonderwall gekauft, ich hatte seit neustem Fury. Und das Laura nach Australien abdampfte und ihren Wonderwall hier zurück ließ, hatte einen Keil zwischen uns getrieben.
Ich sah Laura an und sah überrascht, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Hilflos stand meine beste Freundin in meinem Flur, die zitternden Hände zu Fäusten geballt, auf den Boden starrend. Augenblicklich tat mir alles Leid, was ich ihr an den Kopf geworfen hatte. Zögernd machte ich einen Schritt auf sie zu und umarmte sie. „Komm“ sanft führte ich sie aus dem Flur ins Wohnzimmer und verfrachtete sie auf die Couch. Schweigend saßen wir nebeneinander, bis Laura sich beruhigt hatte.
„Tut mir Leid“ murmelte sie schließlich. „Es ist nur alles zu viel für mich. Ich will nicht nach Australien.Ich will nicht von dir weg, nicht von Wonderwall“ ich runzelte die Stirn. „Warum bleibst du dann nicht einfach hier?“ Laura sah mich aus verquollenen Augen an. „Weil es nicht geht. Meine Firma braucht mich in Australien und außerdem müsste ich mir sonst was Neues suchen. In das Dorf setze ich keinen Fuß mehr“ Sie schnieft. „Wegen der Sache mit Sebastian?“ fragte ich nach. „Ja“ Laura nickt. „Ich will nicht im gleichen Dorf wie der Typ wohnen, der mich so abartig betrogen hat“ Sie schweigt kurz. „Ich habe versucht, einen anderen Job zu bekommen, der es mir möglich macht, weiterhin Wonderwall zu finanzieren. Aber überall hätte ich nur ganz unten anfangen können, das hätte vom Geld nie gereicht, um ein Pferd zu finanzieren. In meiner Firma bin ich stellvertretende Geschäftsleiterin und in Australien sogar führende Geschäftsleitung. Vielleicht kann ich mir ja Wonderwall irgendwann rüber fliegen lassen, soviel wie ich da verdiene“ sie schniefte erneut. Ich legte ihr einen Arm um die Schulter. „Das wird schon wieder“ tröstete ich Laura. „Ich passe gut auf deinen Wonderwall auf und sauer bin ich auch nicht mehr. Ich muss mich auch entschuldigen. Da sind wohl alle Pferde mit mir durch gegangen“ Laura schüttelte den Kopf. „Nein, du hast genug um die Ohren. Wegen Saskia und so. Ich bin die, die Schuld hat“ „Wir sind einfach beide blöd“ beendete ich unsere Diskussion und grinste Laura an. „Ok!“ lachte sie. Wir saßen noch länger beisammen, redeten, lachten und anschließend brachte ich Laura mit Nikki zum Flughafen, verabschiedete mich von ihr und aß in einem kleinen Restaurant zu Mittag, bis ich mich endlich auf den Weg zum Hof machte.
„Fuuuuury!“ Ich rief meinem Wallach, kaum als ich seine vertraute Gestalt auf der Weide ausmachte. Fury hob den Kopf, sah zu mir herüber, zögerte kurz. „Na Komm!“ rief ich ihn erneut. Ein letzter Blick zu seinen Freunden, dann trottete der Wallach langsam auf mich zu. Ab und zu blieb er stehen, drehte sich halb um und trottete dann weiter in meine Richtung. Dabei war es mir, als könnte ich das Vollblut seufzen hören. Lachend wartete ich, bis der Herr sich bequemt hatte, das Gatter zu erreichen. „Na hübscher?“ zärtlich strich ich meinem Wallach über die Stirn, stülpte ihm sein Halfter über den Kopf und zupfte am Strick. Fury folgte mir brav zum Putzplatz.
Ich band mein Vollblut sorgfältig an und begann, ihn zu putzen. Fury hatte eine Decke getragen, sehr schmutzig war er nicht. Es dauerte keine 20 Minuten, bis Fury´s Fell glänzte, die Hufe ausgekratzt waren und ich Mähne und Schweif grob verlesen hatte. Der Wallach wurde langsam unruhig, begann zu tänzeln. Aus diesem Grund beeilte ich mich ein wenig mit dem Satteln und trenste Fury anschließend geschickt auf. „Sieht schick aus, Süßer“ flüsterte ich Fury ins sein pelziges Ohr und ließ meinen Blick nochmal über seine Satteldecke in Schokobraun schweifen. „So, dann wollen wir mal los, oder?“ Ich schwang mich in Fury´s Sattel und dirigierte Fury Richtung Waldweg.
Mein Pferd tänzelte. Fury schien keinerlei Lust auf einen ruhigen Schritt zu haben. Mal sprang er zur Seite, mal wurde er viel zu schnell. Dann wieder blieb er stehen, störrisch wie selten. „Ruhig, Junge“ murmelte ich meinem Wallach zu, gab immer wieder eine halbe Parade, sobald Fury zu schnell wurde, hatte meine Unterschenkel verwahrend an seinem Bauch und trieb immer wieder konsequent weiter, wenn Fury stehen blieb. Es waren anstrengende Meter, die ich auf Furys Rücken zurück legte.
Nach einer Weile wurde Fury ruhiger, aber optimal war es noch nicht. Der Weg wurde breiter, ideal für einen kleinen Trab. Sanft drückte ich meinem Wallach die Schenkel in den Bauch. Fury nahm den Kopf zwischen die Vorderbeine, bockte heftig. „Hey!“ schimpfend kämpfte ich um mein Gleichgewicht, setzte ich mich neu im Sattel zurück, trieb Fury vorwärts und zog ihm gleichzeitig den Kopf hoch. Zunächst wehrte sich das Vollblut heftig, aber ich gab nicht auf. Ich versuchte, meine Hilfen sanft zu halten und gleichzeitig die Oberhand zu gewinnen. Meine Methode zeigte Erfolg. Fury nahm den Kopf hoch, lief ein paar Schritte vorwärts, schwang dann auf der Hinterhand herum und versuchte im gestreckten Galopp zurück zum Hof zu preschen. „Nichts da!“ Ich gab eine scharfe Parade und trieb Fury energisch in die andere Richtung. Im Renntrab ging es einige Meter vorwärts, bis Fury sich langsam beruhigte.
Die Gelegenheit ergriff ich beim Schopf, sprang aus dem Sattel und begutachtete Fury genau. Ich untersuchte die Sattel und Trensen Lage, betastete Furys Beine, hob die Hufe hoch und suchte nach kleinen Steinchen und war zwischendurch damit beschäftigt, Fury zum Stillstehen zu bringen.
Als ich mir ganz sicher, dass meinen Wallach heute einfach nur der Hafer extrem stach, stieg ich wieder in den Sattel, lenkte Fury auf eine Wiese, die etwas abseits vom Weg lag und begann meinen Wallach im Trab mit Volten und Schlangenlinien zu „quälen“. Dabei spielte ich mit den Zügeln, saß locker und entspannt im Sattel. Fury beruhigte sich immer mehr, sein Kopf ging runter, er begann auf seinem Gebiss zu kauen. „Feiner Junge“ murmelte ich, klopfte seinen Hals und verließ die Wiese wieder, um unseren Weg fort zu setzten.
Eigentlich hatte ich heute vorgehabt, ein wenig mit Fury Straßensicherheit zu trainieren. Aber so, wie mein Wallach drauf war, hatte ich da echt keine Lust drauf. Stattdessen trabte ich wieder an. Wir legten gut 2 Kilometer im ruhigen Trab im Wald zurück. Fury blieb gehorsam bei mir, nur ab und an musste ich ihn mit einer kleinen Parade zurück halten. Ich war froh, Nikki auf dem Hof gelassen zu haben – Mit einem Hund die Anfangsprobleme dieses Rittes durch zu machen gehörte nicht zu meinen dringendsten Wünschen. Trotz allem genoss ich den Ritt durch den Wald, da Fury sich jetzt auch wirklich besser benahm.
Bald erreichten wir einen noch breiteren Weg. Ich nahm mein Bein noch ein Stück mehr, trieb mit dem anderen vermehrt. Fury sprang kraftvoll um. Sanft gab ich eine halbe Parade, regulierte das Tempo und wir legten den nicht sonderlich langen Weg in einem ruhigen, gemäßigten Galopp zurück.
Wir erreichten einen Weg, der in der Nähe des Sees lag. Auf einen Blick sichtete ich mehrere Spaziergänger, also parierte ich Fury zum Schritt durch, fasste seine Zügel ein Stück kürzer und rahmte ihn mehr mit meinen Schenkeln ein. Ich traute meinem Wallach nicht. Wir wichen so weit wie möglich an den Rand aus, ich lächelte jeden, der uns entgegen kam freundlich an, erwiderte auch hier und da einen Gruß, vermied es aber, mich länger als eine Sekunde am Stück nicht auf das Pferd unter mir zu konzentrieren. Obwohl mein großer sich wirklich gut verhielt, war ich erleichter, als wir auf einen kleineren Pfad abbiegen konnten. Fury war doch sichtlich angespannt, also trabte ich erst mal wieder eine Weile, bis der Pfad noch enger wurde. Gezwungener Maßen parierte ich zum Schritt durch, klopfte Furys Hals und ließ die Zügel etwas länger.
5 Minuten später lichtete sich der Wald und vor uns tauchte ein gigantisches Stoppelfeld auf. Reflexartig gab ich eine Parade, Fury blieb gehorsam stehen. Wir beide starrten auf das Feld. Ich war schon öfters ausgeritten, aber bis hierhin war ich noch nie gekommen. Ich war immer andere Wege geritten. Das Feld erstreckte sich schier bis zum Horizont. Mir juckte es gewaltig in den Finger. Fury spürte meine Anspannung, fing das Tänzeln an. „Ruhig, Süßer“ murmelte ich und strich Fury ein wenig geistesabwesend über die Mähne. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber der Anblick des Feldes weckte Erinnerungen…
Ich mit meinem ersten Vollblut Bereitpferd Golden Storm, in vollem Galopp über ein Stoppelfeld. Wie ich dann Golden Storm einmal auf der Rennbahn vorreiten musste, als er zum Verkauf stand. Das Gefühl zu fliegen, obwohl ich eigentlich gegen Galopprennen war.
Aber gegen so einen deftigen Galopp auf einem Stoppelfeld sprach nichts… Galopprennen fand ich auch nur Quälerei, mit den ganzen Schlägen und so und dauerhaft würde ich einem Pferd so etwas auch nicht zumuten. Aber Fury… Im lag es praktisch im Blut… Und es war nur ein Feld… „Lust zu rennen, Junge?“ flüsterte ich leise. Fury drehte ein Ohr nach hinten. Entschlossen gab ich die Galopphilfen, ritt Fury die ersten Meter im gemäßigten Galopp. Trotz des Feldes vor ihm hörte mein Wallach gut auf mich. Ich war letztendlich die, die in den leichten Sitz ging, Fury anfeuerte, schneller zu laufen „Go, go, go, go Junge!“ rief ich ihm zu, trieb ihn immer weiter. Jetzt drängelte Fury ganz schön vorwärts und ich ließ ihn immer schneller werden, feuerte ihn noch mehr. Mit einem gewaltigen Ruck kam der Erdboden ein ganzes Stück näher, Fury fetzte mit langen Sprüngen über das Feld. „Juhuuuuu!“ jubelte ich leise. Furys Mähne peitsche in meine Gesiccht, ich lag fast auf seinem Hals, aber es konnte mir nicht schnell genug gehen. Aber ich achtete auf Fury, sobald er hätte langsamer werden wollen, hätte er das gedurft. Doch er schien es nicht zu wollen.
Wir waren eins. Es gab nicht mehr Judith, nicht mehr Fury als einzelnes. Es gab nur noch uns. Wir. Wir waren miteinander verschmolzen, Teil einer untrennbaren Gemeinschaft. Er war ich, ich war er. Zusammen flogen wir. Küssten den Himmel. Tanzten durch Regenbogen.
Viel zu schnell kam das Ende in Sicht. Ich setzte mich im Sattel zurecht, gab kleiner Paraden und nahm das Tempo immer mehr zurück. Die letzten Meter galoppierten wir ein einem flotten Arbeitstrab und ich hatte keine Probleme, Fury zum Trab und dann zum Schritt durch zu parieren. Im Schritt fiel umschlang ich seinen Hals, lobte ihn und setzte mich schnell wieder auf, bevor Fury auf die Idee kam, die lockeren Zügel zum durch gehen aus zu nutzen. Mein Wallach schnaubte mehrmals kräftig ab. Im gemütlichen Schritt schlenderten wir zurück zum Hof. Zwischen uns hatte sich was verändert, wir waren uns näher gekommen. Immer wieder beugte ich mich vor, klopfte Furys Hals. Spürte seine Muskeln, spürte seine Lebensfreude. Ich war einfach nur glücklich.
Durchgeschwitzt kamen wir am Hof an. Jessy stand mit Daphne am Putzplatz und striegelte ihre große hingebungsvoll, als ich dazu stieß. „Na ihr zwei? Wie war das Straßentraining?“ „Ähm, nicht vorhanden“ antworte ich, während ich Furys Trense gegen sein Halfter tauschte. „Hä?“ Jessy ließ die Hand mit dem Striegel sinken und sah mich verständnislos an. Ich muss lachen, löste den Sattelgurt und antwortete „Er hat sich am Anfang extrem schlecht benommen“ fing ich an zu erzählen, griff mir den Sattel und legte ihn beiseite. Während ich Fury abschwammte – da er so geschwitzt hatte – und anschließend nochmal putzte erzählte ich Jessy die ganze Geschichte. Mit dem letzten Satz war auch meine Arbeit beendet, ich wünschte ihr viel Spaß mit Daphne, löste den Strick vom Anbindehaken und schnalzte auffordernd mit der Zunge. Fury folgte mir in den Stall, ließ sich brav eine Decke auf den Rücken laden und wartete geduldig, bis ich die Schnallen geschlossen hatte. Eine Möhre verschwand im Maul meines Wallaches, dann ging es weiter zu Weide. Dort wechselte ein kleines Leckerli seinen Besitzer. „Bis Morgen, Süßer“ Ich vergrub mein Gesicht kurz in Furys Mähne, öffnete das Gatter. Mit einer Hand löste ich den Strick vom Halfter und sah meinem Vollblut zu, wie es abdampfte. Lächelnd schloss ich das Gatter, warf Fury eine Kusshand zu und machte mich auf den Weg zu Wonderwall.
Der Trakehner stand in seiner Box und sah misstrauisch den Menschen zu, die an ihm vorbei liefen. Er stand schon fast 2 Wochen hier und ich hatte ihn jeden Tag geputzt und immer mal wieder in die Führanlage gebracht und dabei fest gestellt, dass Wonderwall Probleme hatte, mich als Leittier zu akzeptieren. Laura hatte mir geraten ein Join- Up mit ihm zu machen und genau das hatte ich jetzt vor.
„Hallo, Wonderwall“ Freundlich begrüßte ich den Hengst, klopfte ihm kurz den Hals und band ihn dann vor der Box an. Sonderlich dreckig war der Hengst nicht, genauso wie mein Fury. Anscheinend wollten mir meine Pferde heute einen Gefallen tun. Wonderwall tänzelte hin und her, ich hatte schon eifrig Klapse ausgeteilt, als ich gerade mal mit dem Fell fertig war. Der Hengst schien mich einfach komplett zu ignorieren und machte munter weiter. Ich war froh, als ich nach 20 Minuten den Hufkratzer beiseitelegen konnte und Wonderwall fertig geputzt war. Schnell legte ich dem Hengst Gamaschen an, tauschte sein Halfter gegen Knotenhalfter, schnappte mir eine Longe und ging mit ihm ins Roundpen.
Dort angekommen machte ich Wonderwall los. Der Hengst schien keinen großen Bewegungsdrang zu haben, buckelte zweimal, galoppierte ein paar Schritte und fiel dann in einen gemütlichen Schritt. Zeit zu beginnen.
Ich machte mich groß, stellte mich breitbeinig in die Mitte des Roundpens und warf das Longenende in Richtung Kruppe des Hengstes. Mit einem Schnauben trabte Wonderwall an, die Ohren angelegt. Ich machte mich größer, spreizte die Hand, bedrohte ihn. Wonderwall keilte kurz aus, galoppierte an. Bewundernd beobachtete ich mehrere Runden seinen raumgreifenden Gang. Ein tolles Pferdchen war er ja, nur seine Ranglistenprobleme…
Ich trat einen Schritt vor, direkt in das Blickfeld von Wonderwall. Wie gewünscht stoppte der Hengst abrupt, drehte auf der Hinterhand und galoppierte in die andere Richtung.
Diesen Handwechsel führte ich nach zweimal aus, bis sich eine Veränderung bei Wonderwall zeigte. Die Ohren des Hengstes richteten sich auf, das eine Ohr drehte sich in meine Richtung, der Hengst wurde deutlich langsamer. Innerlich grinsend warf ich streng erneut das Longenende Richtung Wonderwall „Weiter“ Fast wiederwillig legte der Hengst an Tempo zu. Nach zweieinhalb Runden fiel Wonderwall in den Trab. Sein Kiefer malmte, es sah so aus, als wollte er die Luft zerkauen. Auf dieses Zeichen hatte ich gewartet.
Ich ließ die Longe fallen, drehte mich um und nahm gleichzeitig meine Hand eng an meinen Körper. Wonderwall blieb stehen. Atemlos wartete ich, bis ich seine Hufe im Sand hörte, kurz danach seinen warmen Atem in meinem Nacken spürte. Glücklich drehte ich mich um, senkte den Blick und streichelte Wonderwalls Stirn. Der Hengst stand ruhig da, ließ sich die Liebkosung gefallen. Ich wandte mich um, ging einen Schritt nach vorne. Ohne Zögern folgte der Trakehner mir. Ich streichelte ihn erneut, ging dann weiter von ihm weg. Wonderwall folgte mir, seinen Kopf stets dicht neben meiner Schulter. Selbst als ich anfing zu rennen trabte er an, um bei mir zu bleiben. Glücklich blieb ich erneut stehen, klopfte Wonderwall, streichelte ihn, gab ihm eine Möhre. „Das hat du sehr schön gemacht, Wonderwall“ erzählte ich dem Hengst während er kaute. „Das nächste Mal machen wir noch ein Join-Up und dann werden wir mal testen, wie es mit dem Reiten funktioniert, ok?“ Wonderwall schnaubte kurz und sah mich dann erwartungsvoll an.
Ich musste lächeln, klipste den Strick wieder in Wonderwalls Halfter und sah ihn aufmunternd an. „Na komm, Dicker. Zeit, wieder zurück zu kehren“ Brav folgte der Trakehner mir über den Hof in den Stall. Zufrieden stellte ich fest, dass sich sein Verhalten gebessert hatte. Der Hengst stand wie eine Statue, als ich ihm mit der Kardätsche nochmal übers schwarze Fell fuhr und seine Hufe auskratzte. Ab und zu wandte Wonderwall den Kopf und sah mich mit seinen dunklen Augen an. Jedes Mal musste ich lachen. „Ich denke, wir werden noch gute Freunde“ flüsterte ich dem Hengst in sein pelziges Öhrchen. „Aber jetzt kommst du erst mal wieder in deine Box“ Ich löste den Strick, führte Wonderwall in seine Box und gab ihm noch ein Äpfelchen. Mit einem freundlichen Halsklopfen verließ ich die Box wieder und sah mich dann noch einmal nach Wonderwall um. Mit hängendem Kopf stand der Hengst in seiner Box. Von der Box neben ihm kam leises Schnauben, aber Wonderwall legte nur drohend die Ohren an. Er sah alles andere als entspannt aus. „Du armer“ murmelte ich, eilte in die Sattelkammer und kam keine 5 Minuten später mit einer kleinen Flasche wieder.
Wonderwall beobachte gespannt, wie ich die Flasche entkorkte und mir etwas Flüssigkeit auf die Hände kippte. Sanft begann ich Wonderwall zu massieren- Mit Lavendelöl und T-Touch. Nach einer Weile sank Wonderwalls Kopf immer tiefer, ruhte auf meiner Schulter. „Du armer“ murmelte ich wieder „Weißt gar nicht, wo Laura ist, wo deine Freunde sind, was passiert ist“ Sanft fuhr ich fort dass Öl ein zu massieren. Wonderwalls Kopf wurde schwerer und schwerer. Meine Kehle wurde eng. Das Vertrauen dieses Hengstes rührte mich zutiefst. Ich hörte auf, ihn zu massieren und legte meine Arme einfach nur um seinen Hals. Wonderwall bewegte sich nicht. Leise begann ich zu summen, dann zu singen. Mir war einfach danach. Meine beiden Pferde machten mich heute einfach glücklich. Auch wenn das Lied eher ein trauriges war…
All that i want is always to push forward
But since you´ve been gone I just wanna push rewind
If yesterday could only be tomorrow
Whatever I do I always run behind
Wonderwalls Ohren bewegten sich in meine Richtung, sein Kopf wurde noch ein bisschen schwerer. Ich wollte den Moment nicht zerstören, sang einfach weiter, ein anderes Lied, aber auch traurig…
Who can say why your heart sighs,
as your love flies.
Only time...
And who can say why your heart cries,
when your love lies.
Only time...
Lange standen wir da. Atmeten zusammen, lauschten meinem Gesang. Irgendwann, ich hätte nicht sagen können, ob es Stunden oder Minuten waren, löste ich mich von Wonderwall. Der Hengst hob seinen Kopf, ich nahm meine Arme runter. Wonderwall schnaubte sanft, ließ sich von mir auf die Nüstern küssen. Lächelnd sah ich zu, wie Wonderwall sich umwandte und sich über sein Heu hermachte. Ich sah ihm noch eine Weile zu und verließ dann die Box.
Draußen war es am Dämmern. Stille hatte sich über den Hof gesenkt, nur ab und zu ertönte ein leises Wiehern und aus den Boxen direkt neben mir konnte ich auch die Schnaub und Fressgeräusche der Pferde hören. Ich schien allein zu sein, vielleicht schwirrte Jessy noch irgendwo herum.
Ein schrilles Wiehern zerriss die Luft. Mehrere dumpfe Schläge folgten, ein Mann schimpfte, ein Motor röhrte. Erschrocken sah ich mich um. Ein zweites Wiehern ertönte, ich hörte Jessy etwas rufen. Ich lief los. Man sah kaum die Hand vor Augen, mehrmals stolperte ich, fing mich wieder, rannte weiter. Die ständigen Geräusche wiesen mir den Weg. Ich rannte über den Parkplatz, ein Stück die Auffahrt hoch. Ich musste nicht weit rennen, um den Pferdetransporter zu sehen. Jessy stand davor, debattierte heftig mit einem grobschlächtigen Mann. Zögernd trat ich näher.
„Nein, das werden Sie nicht tun! Wehe!“ Der Mann verzog das Gesicht. „Sie ham mir gar nix zu sagen, Fräulein. Wenn se den Gaul nit wollen, kann ich auch nix dazu“ Ich legte Jessy eine Hand auf die Schulter. Ihre Schultern bebten, sie war nahe dran, die Fassung zu verlieren. „Guten Abend“ ergriff ich höfflich das Wort. „Was gibt es hier für ein Problem?“ Jessy sah mich dankbar an und deutete dann aufgebracht in Richtung des Mannes. „Dieser Mann hier hat ein kleines Araberfohlen auf seinem Hänger. Super Abstammung, ich kenne die Eltern. Ein bisschen frech und sehr scheu, hat wohl nicht viel Gutes von Menschen erfahren. Er wollte es hier abladen oder zum Schlachter bringen. Aber ich habe im Moment nicht genug Geld, um seinen Preis zu bezahlen, es fehlen noch Einnahmen von Pferdekäufen und so“ Sie schluchzte auf. Ich lächelte aufmunternd und trat an den Hänger heran.
Ein süßes, vielleicht 15 Monate altes Fohlen sah mich schüchtern an. Es stand an die Wand gedrückt, regte sich nicht von der Stelle. Der Mann und Jessy gesellten sich zu mir. „Hat janz schön randaliert das Vieh, wollte wohl raus“ Er betrachtet das Fohlen abfällig. „Wie viel würde sie den kosten?“ fragte ich den Mann. „8.000 NT“ antwortete Jessy für ihn. „Es ist nicht so, dass ich das Geld nicht hätte, aber ein Teil ist Reserve, ein Teil für andere Pferde reserviert“ entschuldigend sah sie mich an. „Aber wenn dieser Mann da sich nicht erweichen lässt, kaufe ich sie trotzdem!“ „Musst du nicht, ich kaufe sie“ sagte ich kurz und wandte mich an den Mann. „Dann lassen Sie uns alles regeln“
Drei Stunden später war es halb zehn und alles war geregelt. Ich hatte ein Teil meines Kontos geleert, Jessy hatte mir Zubehör verkauft und die kleine Stute Shadow of my heart stand in ihrer Box und randalierte. Der Mann war abgefahren, hatte aber vorher noch erzählt, dass Shadow seit zwei Tagen in ihrem Hänger stand. Ungeachtet der Uhrzeit beschloss ich, die Stute noch zu bewegen.
Shadow stand an ihrer Boxentür, aber als ich kam zog sie sich zurück. Ich hielt ihr einige Minuten meine Hand hin, sie atmete meinen Geruch ein. Obwohl sie nicht von selbst zu ihr kam, ging ich zu ihr hin und streifte ihr das Halfter über. Ich war müde, ich wollte ins Bett und auf Stundenaktionen hatte ich keine große Lust. Shadow ließ es brav geschehen und folgte mir auch ohne Zögern aus der Box, ging aber so weit wie möglich von mir entfernt. Draußen band ich sie an, kratzte ihre kleinen Hufe aus und bewunderte ihre gute Erziehung. Nur am Anfang machte sie Anstalten, den Huf weg zu ziehen. Zufrieden setzten wir unseren Weg zur kleinen Halle fort.
Dort ließ ich Shadow laufen. Buckelnd raste die Stute los, die kleinen Hufe wirbelten durch die Luft als sie auskeilte. Runde um Runde raste sie, Staub wirbelte umher. Lächelnd beobachtete ich das Schauspiel. Nach 15 Minuten wurde Shadow langsamer, blieb stehen, wälzte sich. Dann ging es weiter im Trab, nach 5 Minuten wälzte sie sich erneut. „Tolle GGA hast du wirklich“ murmelte ich leise und sah zu, wie meine kleene ein paar Schritte umherwanderte, stehen blieb und anfing zu dösen. „Ausgepowert?“ fragte ich lachend, ging vorsichtig auf die Stute zu und fing sie wieder ein.
Bald darauf standen wir wieder vor ihrer Box. Ich band Shadow erneut an, putzte sie kur über und kratzte ein Steinchen aus ihrem rechtem Vorderhuf. „Feierabend“ murmelte ich dann, brachte das Stütchen in ihre Box, gab ihr eine kleine Möhre, klopfte ihr den Hals. Shadow beäugte mich misstrauisch. Seufzend verließ ich die Box. Hinter mir ertönte ein Rascheln. Ich sah mich um: Shadow hatte sich ins Stroh sinken lassen, die Nase auf die Vorderbeine gestützt. Zum wiederholten Mal an diesem Tag glitt mir ein Lächeln übers Gesicht.
Bevor ich nach Hause ging sah ich noch bei Wonderwall und bei Fury vorbei. Meine beiden dösten ruhig vor sich hin. Ich störte sie nicht weiter, sondern wollte mich auf den Heimweg machen. Nach den ersten Metern kam Jessy mir hinterher. „Moment, ich fahre dich schnell“ Dankbar nahm ich irh Angebot an.
Zuhause sank ich erschöpft auf die Couch, machte Musik an. Es ertönte das Lied, was ich eben noch Wonderwall vorgesungen hatte – Push Forward. Ich sang leise mit. Es stimmte schon, seit Saskia Tot wollte ich alles nur zurückspulen. Aber heute hatte ich wieder etwas von meinem alten selbst gespürt, von der, die immer alles vorantreiben wollte. Vielleicht würde ja irgendwann alles gut werden und ich wieder ich selbst. Was heute klappte, klappte vielleicht auch morgen. „Positiv denken!“ murmelte ich. Nikki sah mich verständnislos an. „Guck nicht so, Süße. Ich denke nur darüber nach, dass ich alles wieder vorantreiben will. Das Leben muss weiter gehen“
Wie oft hatte ich diesen Gedanken schon gehabt? Wie oft war er wieder fallen gelassen worden? Aber es gab eine neue Chance, einen neuen Anfang. Fury brauchte mich, Wonderwall brauchte mich, Shadow brauchte mich. Wenn ich es nicht Pferden zuliebe schaffen würde, wem zuliebe dann?
Den Pferde sind was, für das es sich immer zu Leben gelohnt hat – auch, als Saskia schon tot war…
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Re: 6# Fury,Wonderwall &Shadow - Push Forward
Danke <3
Ich mag ihn auch^^
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